Rilke und die Duineser Elegien - 2. Die Entstehung der Elegien 1912-1922

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Im Anfang des Jahres 1912 entstehen die ersten drei Elegien auf Schloss Duino. Im November 1914 kommt die vierte Elegie hinzu. Die Elegien eins bis vier sind Ausdruck der tiefen Krise, in der sich der Dichter befindet. Nach dem Durchbruch zum "Malte" im Jahr 1907 wollte nichts mehr gelingen. Rilke wendet sich an seine Vertraute Lou und teilt ihr mit, dass er überlege, sich therapieren zu lassen. Er flieht in der Hoffnung auf Besserung nach Toledo und Ronda. Er entscheidet sich, sich durch das Schreiben selbst zu therapieren. 

Dann kommt der Erste Weltkrieg. Der Kriegsbeginn vertreibt Rilke aus Paris. Er kehrt nach München zurück. Er interessiert sich für die Lehren der "Kosmiker" aus dem George-Kreis, vor allem für den Philosophen Alfred Schuler. Er übernimmt aus dessen "Philosophie des Lebens" den programmatischen Begriff des "offenen Lebens". Die Zukunft gehöre einem neuen Menschen, der zur Ganzheit in sich und zu einer neuen Harmonie mit der Erde und mit dem Weltall findet. Rilke findet Zugang zur Dichtung Hölderlins und vertieft sich in Goethe. 

Im Februar 1922 erfolgt im Turm von Muzot der Durchbruch des künstlerischen Schaffens. Rilke schreibt in einem Zuge die Elegien 7, 8, 9, 6, 10 und 5. 1) Sein jahrelanges Ringen macht sich bezahlt. Der Jubelgesang, zu dem die siebte Elegie findet, besteht aus einer einzigartigen Bejahung des Lebens. So schwierig die Bedingungen unseres Lebens auch sein mögen: Einschränkungen aller Art durch Armut, Krankheit, Einsamkeit, Behinderung, immer wieder findet der späte Rilke zu einem positiven Weg der Annahme. 

Wenn man die Elegien 1-4 als Ausdruck der "Höllenfahrt" des Dichters durch die Realität des Lebens sieht, kann man in den fünf Elegien aus dem Jahre 1922, die den Schluss bilden, recht eigentlich eine "Himmelfahrt" erblicken. 

Der Gang in die Tiefe und die Fahrt in den Himmel entsprechen sich seit jeher. Es sind die beiden Dimensionen, in der die Menschen, die bereit sind für "Abschied und Neubeginn" (Hermann Hesse in Gedicht "Stufen") ihre geistige Wiedergeburt erfahren können. 

Ich führe hier die Elegien in der Reihenfolge ihrer Entstehung auf:

 

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