Narziss und Goldmund - 3.5. Résumée

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Ich hatte drei Fragen gestellt. Ich möchte sie jetzt beantworten.

1. Goldmund wird zum Künstler aus Veranlagung und Berufung. Er grenzt sich von den Kunsthandwerkern ab, die vorrangig für Geld arbeiten. Goldmund arbeitet, weil er den Bilder seiner Seele Gestalt geben möchte: dem Narziss als Johannes, der unschuldigen Liebe als Mutter Gottes usw. Diese Arbeit erfüllt ihn mit der Zuversicht, dem Leben und seinem bunten Treiben Schönheiten abgeschaut zu haben, die Aussicht auf dauerhaftes Bestehen haben.

2. Goldmund überwindet in sich die Veranlagung zur Spontankunst. Er weiß, dass nur derjenige Mensch Künstler genannt werden kann, der sein Können so weit bringt, dass die Übersetzung von innen nach außen ohne Reibungsverluste vonstatten gehen kann. Das Können erlangt Goldmund in einer etwa dreijährigen Ausbildungszeit bei Meister Niklaus.

3. Goldmund stellt hohe Ansprüche an sich selbst. Er ist zum ersten Mal mit seiner Kunst zufrieden, als es ihm gelungen ist, den Jünger Johannes zu gestalten. Viele Jahre später gelingt es ihm wieder, als er im Kloster arbeitet. Er gestaltet die Lydia als Mutter Gottes und viele andere Werke. Sie erfüllen ihn mit Genugtuung. Er weiß, dass er sein Lebensziel verwirklicht hat und kann auch deshalb das Leben, sein Leben loslassen. Die von ihm geschaffenen Werke geben dem Sterbenden die Gewissheit, in der Erinnerung der Menschen zu überleben - nicht als Vagant, sondern als Künstler.

© Dr. Johannes Heiner im November 2008

 

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