Nachdenktexte

einleitung

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johannes heiner

lyrische texte

 

veröffentlicht aus anlass von zehn jahren heureka-verlag

© poxdorf im januar 2012

 

Bitte beachten Sie,

dass die hier veröffentlichten Texte urheberrechtlich geschützt sind.

 

 

"nachdenktexte pur" (Januar 2012) in gedruckter Form

die zugehörige CD "wer du im grunde bist" (Januar 2012)

 

 

 

stichwörter / themen:

 

 

 

   

motto

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der alte mann wurde gefragt: was ist das wichtigste im leben?

er antwortete ohne zu zögern.

zwei dinge sind es, die du beherzigen solltest:

erstens, lerne dein eigenes potential kennen und

lass dich dabei nicht von anderen leuten abhalten,

die es nicht gerne sehen, wenn der mensch,

den sie kennen, sich verändert.

zweitens, konzentriere dich darauf,

dein potential zu entfalten

und stelle es in den dienst der menschen.

diese zweite aufgabe ist fast noch schwerer,

als die erste.

aber erst sie wird dir helfen,

deine innere freiheit zu erlangen.

 

   

zwei vögel

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zwei vögel am himmel

ziehen vorbei

an dir

und an mir

dem berggipfel entgegen

WiGesicht S. 36

 

   

eine flamme

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eine flamme

brennt

im herzen meiner geliebten

gott

hat sie angezündet

WiGesicht“ S.11

   

wenn zwei bäume

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wenn zwei bäume

sich umarmen

ist

der himmel

zwischen ihnen

TfdJahr S. 29

 

   

die tür

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halb geöffnet steht die tür

am morgen

wenn du mich rufst.

ich folge deinem ruf

und finde

die ganz geöffnete liebe.

wenn die liebe offen steht

und du mich am morgen rufst

verschwinde ich in dir.

TfdJahr S. 20

   

kuckuck

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der kuckuck ruft

ich höre ihn

jetzt

TfdJahr S. 28

 

   

ich bin jetzt da

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ich

bin

ich bin

jetzt

ich bin jetzt

da

ich bin da

ich bin jetzt da

unterwegsil, S.122

 

   

nichts ausschließen

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nichts ausschließen

alles darf sein

wie es ist.

 

in mir

außerhalb von mir

in gott

 

vorsichtig

setze ich meine schritte

in den neuen schnee

 

unterwegsil, S.133


 

   

einfach da sein

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einfach

da sein

einfach

sein

   

unberechenbar

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unter bäumen

auf der erde

bewegst du dich sicher.

unerwartet

erfasst er dich

verwandelt

trägt er dich

über die wipfel

in des himmels

weite.

TfdJahr S. 60


 

   

umherirrendes blatt

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umherirrendes blatt

im wind

hier legst du an

liegst auf dunkler

kühler erde

und

vergehst.

WiGesicht S. 6

 

   

es bleibt nicht

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es kommt

es bleibt

es geht

es kommt aus nichts

es geht ins nichts

es bleibt nicht

aber es ist jetzt da

aber ich halte mich

daran fest

leichter atem

federschweben

frei sein

TfdJahr S. 35

 

   

wandel

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aus dem winter

der frühling

aus der nacht

der tag

aus der zweiheit

die einheit

aus dem schmerz

behutsame freude

unterwegsiL S. 30

   

hochebene

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bei allem erleiden

in allem glücksempfinden

hinter den wörtern

unterhalb der gefühle

jenseits der bilder

nicht zugänglich

dem ich will –

die stille

eine hohe stelle

außerhalb der zeit.

da steht sie

in namenlosem entzücken

wartet geduldig

dass du sie entdeckst

unterwegsil S.105

   

meine hauptsache

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du bist

meine hauptsache

wenn ich dich

loslasse

erfüllst du meine wünsche

besser als ich es könnte

du

meine hauptsache

   

dein antlitz

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aus langem nachdenken erwachend

kommst du

vom anbeginn der zeiten

beugst dein antlitz

über mich

manchmal

lächelst du sogar

steigst zu uns

schwachen menschen nieder

umarmst uns

und durchdringst uns ganz

TfdJ S. 64

   

am anfang die finsternis

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am anfang

undurchdinglich

die finsternis


sie lastet schwer

innen wie außen

oben und unten

ohne anfang

ohne ende


da ertönt

aus der tiefe

ein anfänglicher atemzug

langsam saugt er ein

das licht der sonne

langsam haucht er aus

die stille des ungeborenen lebens


leben erwacht

die seele des alls regt sich

der geist gottes

versunken in tiefe beschauung

bewegt sich


es wird geboren

das licht

aus uranfänglicher finsternis


unterwegsil S.18

 

   

die stille

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du stellst

mich still

du stillst mich

auf der stelle

du meine

stille

WiGesicht S.71

 

   

es lieben

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es lieben wie es ist

es hassen wie es ist

es lassen wie es ist

frei wie ein vogel

bewege ich mich nicht

TfdJahr S.21

   

stille im wald

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die stille im wald

weich wie moos

steigt auf aus wurzeln

umspannt die stämme

wiegt sich

mit den gräsern

leuchtet hell

auf brauner

rinde

 

   

weit oben

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weit oben

am himmel blau

schwarz

ein punkt

schmetternd in höchsten tönen


immer wieder

dies mächtige wort eines winzlings


immer wieder

dieser aufruhr


unbändige freude am leben

WiGesicht S. 74

 

   

amsel

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am frühen morgen

die amsel

am frühen morgen

höre ich

den gesang der amsel

er gibt mir

die kraft zum aufstehen

TfdJahr S. 34

 

   

eisvogel

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scheues wesen

voller schönheit

kaum einer

hat dich je gesehen.

aber jeder trägt

das wunder der lüfte

in seinem herzen.

zeigst du es

muss man dich liebhaben

doch du

magst es nicht hervorholen.

hälst es womöglich

für einen spatzen.

wigesicht S. 89

   

ich will wachsen

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ich will wachsen

spricht die blume

öffnet ihre blüten

spendet schönheit und duft

ich will wachsen

spricht der sprecht

klöpft energisch

auf den morschen baumstamm

ich will wachsen

denkt die forelle

schnellt wie ein blitz durchs wasser

ich will wachsen

ruft der dichter aus

greift ungeduldig zur feder

und schreibt diesen text

unterwegsiL S. 49

   

jeder mensch

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jeder mensch

ein baum

ein brunnen

ein himmelreich

du musst dich nur

über den rand beugen

hineinschauen

gewahr werden

wer du

im grunde

bist

unterwegsiL S. 50


   

das leben

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das leben

entzündet die fackel

unseres müden herzens

immer wieder von neuem

und wir folgen willig

der tollkühnen hoffnung

dass das reich gottes auf erden

wirklichkeit werde

unterwegsiL S. 51

   

ich

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ich taste mich

durch den raum

raum

weit ausgetreckt die arme

arme

die augen geschlossen

geschlossen die augen


ich sehe nichts

aber ich bin nicht blind

ich denke nichts

sondern ich fühle


ich erspüre raum

taste

rieche

höre

fühle

atme


die unsichtbare welt

kommt auf mich zu

sterne leuchten auf

unverdrossen

nähere ich mich dem ziel

das ich nicht kenne

TfdJahr S.30

 

   

tauchen

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wenn ich

in das dunkle meer

meines unterbewusstseins

eintauche

finde ich

wo früher das erschrecken hauste

eine muschel

auf dem grund liegen

köstlich das tauchen

wunderbar der fund

   

was ich suche

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ich suche nach

lebendigkeit

dass ich mich spüren kann


ich suche

nach dem bleibenden

überwindung der vergänglichkeit


ich suche nach

meinem eigenen

und gebe es gerne weiter


ich suche nach

menschen, denen ich mich

anvertrauen kann


ich suche nach

ausdruck für meine stimme

der kraft in mir


ich suche nach

intensiver hingabe

dem feuer, das mich erwärmt

 

   

wertschätzung erfahren

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wertschätzung erfahren

ist wie ein sommerregen auf der haut


macht vergessen

den eisigen wind von ablehnung


ist wie ein erster sonnenstrahl

im vorfrühling


macht vergessen

die starre des winters


ist wie das zulächeln

eines fremden menschen auf der straße


gibt mir den mut

zum weiterleben


gibt mir die kraft

den himmel auf die erde zu holen


unterwegsiL S. 53

 

   

inneres land

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mein inneres

unbekanntes land

mir zum entdecken anvertraut.

ich sehe einen großen tiefen

see und hohe berge

mit schluchten und einen

fluss, der durch den see fließt.

ich denke, jeder mensch arbeitet

an der landkarte für seine seele

eines tages entdeckt er dann

den see seiner bedürftigkeit

die höhle seiner begierden

die insel seiner zärtlichkeit

seine gedanken und gefühle

sind wie kieselsteine

an den strand des tagesbewusstseins gespült.

ich muss sie nur

auflesen

einsammeln

sortieren.

dann kann ich mir

ein bild machen

von meinem inneren land

   

das schöne tal

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im schatten der berge

geschützt vor stürmen und winden

erstreckt sich

so weit das auge reicht

das schöne tal.

der weg führt einen bach entlang

überquert ihn

auf einer brücken aus holz.

der bach belebt das tal

sein glucksen und murmeln

begleiten den wanderer.

er läuft zur brücke

wirft einen fragenden blick

in das klare wasser

vergewissert sich, ob nicht

der schatten einer forelle sich zeige.

am wegrand wachsen

blumen und kräuter.

die blaue wegwarte schaut dich an

der wilde salbei wartet

dass du seinen duft riechst.

weite wiesen

umlagern das dorf.

der aufragende kirchturm

kündet von früheren zeiten.

der wanderer erfreut sich

am anblick von bach, wiese und wald.

er setzt sich auf eine bank

am wegrand und ruht sich aus

genießt die stille des tals

speichert die schönen bilder

für die zeit, da er nicht mehr

wandern kann.

ich bin der wanderer.

ich bin das schöne tal.

ich bin.

unterwegsiL S. 88

 

   

frösche

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frösche springen

in den tümpel

voller müll

plop plop

und noch einmal

das geräusch des wassers

meine freude darüber

dass es noch frösche sind

und nicht etwa

attrappen aus styropor und plastik

TfdJahr S.38

   

tulpenexstase

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kelche rot

kelche gelb

leuchten in der sonne

blätter gelb

blätter rot

strecken ihr arme aus.

eines tages

die überstreckung.

an diesem abend

schaffen sie es nicht mehr

ihre kelche zu schließen.

der regen fährt in sie hinein

zerfleddert die tulpenkelche

auf den hohen stengeln.

doch vorher

strecken sie noch einmal

ihre blätterarme

mit inbrunst

in das licht der sonne

TfdJahr S.24

   

der stille see

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du großes rund

umstanden von bäumen

umsäumt von schilf

und von sand

spiegelst den himmel

im wasser.

ich lasse meinen blick

in bläuliche tiefen

sinken.

meine gedanken sind

wie wolken am himmel.

ich lasse sie wegziehen.

ich atme den frieden des ortes

ein und aus

aus und ein.

der see ist wie meine seele

rund tief und klar.

ich bin wie ein see

ich bin.

   

leben verlangt

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leben verlangt

dass ich mich einlasse.

ich lasse mich ein

an dem ort

wo ich lebe

in der sprache

die ich spreche

mit den menschen

die ich mag.

hier schlage ich wurzeln.

in der erde verwurzelt

halte ich den stürmen stand.

ich bringe mich ein

mit allem

was ich mir

an inneren reichtümern

erworben habe.

unterwegsiL S.56 f. Gekürzte Version.

   

was ich suche

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ich suche

nach dem wirklichen leben

dass ich mich besser spüren kann

 

ich suche

nach dem was bestand hat

in all der vergänglichkeit

 

ich suche

nach meinem eigenen

damit ich es weiter geben kann

 

ich suche

nach einem menschen

dem ich mich anvertrauen kann

 

ich suche

nach ausdruck für meine

innere stimme

 

ich suche

nach intensität

dem feuer an dem wir uns wärmen

was ich suche

 

   

glocke

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am hohen turm

die glocke schwingt

sie trägt ihren klang

über die dächer der stadt

sendet ihre botschaft

in die hintersten winkel.

auf den straßen

halten die menschen inne

schauen in den abendhimmel.

die glocke singt ihr lied.

bis zum äußersten rand

gibt sie sich hin.

sie schenkt freude und zuversicht

sehnsucht und hoffnung.

laut, stark und brennend

schwingt die glocke

im turm meines inneren

ich wache auf

zu mir selbst.

TfdJahr S.16

   

schnecke

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am gotteshügel von taizé

kreuzt ein schnecke

die straße aus asphalt.

durchsichtig und wie neu geboren

sagt eine erste stimme.

langsam und zielsicher

eine zweite.

überall zu hause

die dritte.

gottes hand

sei über ihr

sagt die vierte

und hebt sie in die büsche.

WiGesicht S. 75

   

lotos

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lotos o lotos

strahlende blütenblätter

riesige unschuld

haiku-kompositionen

   

buddha

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der große buddha

leiht seine nase

zum abflug der kleinen schwalbe

haiku-kompositionen

   

stiller als still

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stiller als die stille im wald

heller als die sonne am tag

tiefer als der brunnenschacht

abgründiges nichts

aus dem alles erschaffen wird


   

innenraum

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sich selber

raum geben

in den eigenen raum

hineingehen

 

fühlen

atmen

vertrauen

bei mir sein

 

jetzt kann ich

auch dir

raum geben

WiG S.95

 

   

kontemplation

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kontemplation führt mich

zu mir selbst und zum

urgrund des seins, den wir

„gott“ nennen.

ich lasse meine gedanken los.

ich lasse mich

wie ich wirklich bin.

ich überlasse mich

dem atem gottes

in allem lebendigen sein.

ER führt mich

aus dem eigendenken

in die stille.

gelassen warte ich

auf neue impulse.

sie wachsen in meinem innern

wie jungen pflanzen

im garten.

unterwegsil S.27

 

   

o herr

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o herr, so führe mich

zu meinem inneren licht

zu meiner unschuld

meinem kindesein.

ich bin bereit

mich dir ganz hinzugeben.

gib mir die kraft

es ganz und gar zu tun.

unterwegsil S. 137, Erzählung „Chartres sehen“

 

   

heilige hildegard

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heilige hildegard von bingen

erleuchtete frau

dienerin der menschen

leg deine hände

auf meine schwachen schultern

und segne mein verzagendes herz.

möge die kraft deiner vision

auf meine poesie kommen

und sie stärken.

wigesicht S. 98

   

stiller gott

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o gott

du stiller

schenkst mir

diesen inneren raum

mich zu erspüren

dich zu finden

in deiner gegenwart zu verweilen

dein frieden

hält einzug

in meinem

unruhigen herzen

dafür danke ich dir

amen

   

leben

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berge des nichtverstehens

höhlen des nichteingestehens

tümpel der selbsttäuschung

leiden

 

ströme des mitgefühls

seen der selbsterkenntnis

bäume der weisheit

freude

TfdJ S. 25

 

   

vergiss es nicht

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vergiss es nicht

dein inneres ist

ein leuchtendes wesen aus licht

 

mit deiner freude

deiner andacht

deiner ehrlichkeit

zündest du es

jeden tag von neuem an

 

vergiss es nicht

dein inneres wesen

aus licht

unterwegsiL S. 141

 

   

leuchttürme

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leuchttürme sind wir

an die küste gestellt

zwischen meer und wind

wir hegen das feuer

wir leuchten für einander

am abend

wenn es dunkel wird

 

TfdJ S. 15


   

abkürzungen

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WiGesicht = Wind im Gesicht, erschienen 2001 im Heureka-Verlag Poxdorf


TfdJahr = Texte für das Jahr – Textes pour l´année, erschienen 2005 in der Edition Goldbeck-Löwe, Berlin


unterwegsil = unterwegs im leben, lyrik prosa fotos, erschienen 2011 im Heureka-Verlag Poxdorf

   

Übersicht

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CD Dreiklang - eine gemeinschaftliche Produktion von Johannes Heiner, Gerhardt Staufenbiel und Winfried Lernet

Heureka-Verlag Poxdorf 2014

ISBN 978-3-98114221-8-4

Hier online bestellen!

 

Die lyrischen Texte von Johannes entstehen aus Erlebnissen in der Natur wie z. B. Wanderungen in der Fränkischen Schweiz. Sie erfassen das Nichtsichtbare der Natur und bringen es in Verbindung mit Prozessen im Innern des Betrachters. Die Naturbeschreibung, mit der die Texte einsteigen, wendet sich nach innen und spricht die Seele des von der Schönheit der Natur begeisterten Menschen an. Sie laden zum Entspannen und zur Ruhe ein.

 

Inhalt

1. Das Gefieder der Sprache

2. Erste Stunde

3. Gehen unter Bäumen

4. Erhebung

5. Lob des Baums

6. Lichtung

7. Am Bach

8. Nach meinem Tod

9. Zuhause

10. Heilig

© Aller Texte bei Johannes Heiner 2014

 

 

   

1. das gefieder der sprache

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das gefieder der sprache

streicheln

kämmen

gegen den strich bürsten

wörter sind vögel

fliegen auf

in den blauen himmel der hoffnung

   

2. erste stunde

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am frühen morgen

zur ersten stunde

einzelne stimmen erst

dann das jubilieren der vogelschar.

die natur

unberührt und sanft

frisch entlassen

aus dem schoß der nacht

regt sich.

geburtsschleier aus nebel

hängen an bäumen und büschen.

noch nicht sind die menschen unterwegs

nicht eilen sie zu ihren autos

und setzen sie mit getöse in gang.

nicht fällen sie bäume

mit dem brüllenden lärm

von motorsägen.

nicht reißen sie schon wieder

löcher in die erde

und bauen neue häuser.

frühe morgenstunde

heilige stille

erste regung

eines neuen tags.

alles ist da

ein paradies auf erden

solange die menschen

ruhen im schlaf.

   

3. gehen unter bäumen

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unter den hohen bäumen gehen

langsamen schrittes.

die fußsohlen rollen am boden ab

der unruhige blick schweift umher

findet halt

an baumrinden gräsern moosen

ich gebe mir zeit

alle zeit der welt

nehme wahr

w i e alles ist.

aus der erde

wachsen baumstämme empor

stehen dicht an dicht

bilden ein dach aus blättern.

ich fühle mich beschützt

von mächtigen freunden.

ich setze mich auf die erde

lehne mich an einen baumstamm an

lausche in den wald hinein.

wie mächtig ertönt

die stimme eines waldvogels

wie atemberaubend

das hören der stille.

frieden zieht in mein herz ein.

ich atme meine spannungen aus

atme den frieden ein.

mein rücken richtet sich auf

meine sinne öffnen sich.

ich gehe unter bäumen

meine schritte federn

auf weichem waldboden.

das atmen wird leichter.

ich spüre den frieden

unter den bäumen im wald.

ich bin der friede

ich bin.

   

4. erhebung

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erhebe dich mein geist

über die schweren dinge des lebens

sammle deine kraft

fasse den mut zum flug.

sieh die täler und seen

sie ziehen an dir vorbei.

selbst die berggipfel

geben dir freies geleit.

du schwebst auf deinen schwingen

lässt dich tragen vom wind.

sogar der sturm

zieht an dir vorbei.

er kann dir nichts anhaben.

sein geheul ist wie musik

in deinen himmlischen ohren.

   

5. lob des baums

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ich bin wie ein baum

stark und gewaltig


mein sein beginnt

tief unter der erde

meine wurzeln saugen

lebenskraft aus dem erdreich


aufgerichtet

strebt die lebenskraft

als göttlicher geist zum licht


aus dem stamm

wachsen die äste hervor

greifen wie hände weit in den raum


aus den ästen

keimen die blätter hervor

zart sind sie und fein gezeichnet


ich bin wie ein baum

stark und gewaltig

nichts fehlt mir


das leben braucht mich

es kommt zu mir und will

dass ich baum für andere sei


ich bin bereit

dem leben zu dienen

ich bin wie ein baum

ich bin

   

6. lichtung

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aus dem schatten des waldes

heraustreten

ins offene gehen

auf der lichtung verweilen

das licht spüren

wie es sich

in hellen fäden ergießt

die kräuter riechen

wie sie ihren duft

in schwaden ausbreiten

die gräser bestaunen

die halme, wie sie

sich im wind biegen

die bäume rauschen

von ewigkeit zu ewigkeit

mich einlassen

offen sein

von oben reißt der schrei

eines falken

mein herz auf

schmerz

sehnsucht

liebe

   

7. am bach

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ich stehe auf einer brücke aus holz

ich schaue aufs wasser

die wellen blinken im einfallenden licht

der bach rauscht ein ewiges lied


doch das glucksen und murmeln der strömung

zieht mich hinweg

noch stehe ich auf der brücke

aber der sog wächst.

mein widerstand

plötzlich löst er sich auf

ich fließe fort und dahin

werde eins

mit der großen bewegung

des wassers


zurück auf dem wanderweg

lache ich fröhlich

die wegwarte an

singe ein halb vergessenes lied

   

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