Brief zur Zehnten Elegie

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X - Die zehnte Elegie

 

"Wir, Vergeuder der Schmerzen" 
Die zehnte Elegie, 1.Strophe

 

 

Der 11. Brief: Besuch in der Leidstadt

 

Dunque, se stabilito hai pur nel core
Di porre il pie nella città dolente,
Da te men fuggo e torno
A l´usato soggiorno.


Claudio Monteverdi, L´Orfeo, Atto terzo.

 

Doch wenn du in deinem Herzen fest entschlossen bist,
den Fuss in die Stadt der Schmerzen zu setzen,
wende ich mich jetzt von dir und kehre
zu meinem vertrauten Aufenthaltsort zurück. 

 

 

Der Brief

 

  1. Die Einleitung
  2. Die Leid-Stadt
  3. Im Land der Klage
  4. Der Schluss

 

Liebe Freundin, lieber Freund der Dichtung,

die zehnte Elegie hält einige Besonderheiten für Dich bereit. Es ist dieses Mal nicht nur eine "spirituelle" Reise, auf die ich Dich gerne mitnehmen möchte. Es handelt sich auch um eine richtige Wanderung durch zunächst eine Stadt und dann die Natur. Eine Wanderung, auf der uns viele Sinneseindrücke geschenkt werden und die unser Leben möglicherweise nachhaltig beeinflussen wird. Sie wird uns an die Quelle unseres Lebens führen. 
Doch bevor ich damit beginne, möchte ich Dir gerne einen genaueren überblick geben. Die zehnte ist mit zwölf Strophen die längste der Elegien. Da kann eine Orientierungshilfe nützlich sein. 
Schematisch dargestellt, beginnt sie damit, dass sie ihr Thema sucht und einkreist und schließlich im Leid findet (1.Strophe). Die Erfahrung des Leids ist zwar nicht an die Stadt, die moderne Großstadt zumal, gebunden. Aber an ihr wird es sichtbar und sinnbildlich erfahrbar (2. Strophe). Von der Stadt ausgegrenzt existiert ein Bereich, in dem das wirkliche Leid wohnt. Wir betreten es geführt von einem "Jüngling" und einer "Klage" (3.Strophe). Der Jüngling verwandelt sich später in einen jungen Toten und steht für diese Gruppe von Menschen, mit denen Rilke sich so sehr verbunden fühlte. Die Klage verwandelt sich von einer jungen in eine ältere. Mit ihnen betreten wir nun "die weite Landschaft der Klagen" (4.Strophe). Der Jüngling und die Klage, das dürfte klar sein, sind keine reale Personen, sondern Allegorien und stehen für geistige Zusammenhänge. Der Topografie dieser Landschaft werden nicht weniger als sieben Strophen gewidmet (Strophe 4-10). In den Strophen acht, neun und zehn trennen sich der Jüngling und die Klage. Die beiden letzten Strophen wechseln zum "wir" der condition humaine über und fokussieren ein letztes Mal "die Lehre" der Elegien in der Form von Gleichnissen und Symbolen aus der Natur. Damit nun dieser Brief übersichtlich bleibe, hebe ich den jeweiligen Gliederungsaspekt, auf den ich eingehe, hervor. Es handelt sich um die vier Abschnitte Einleitung, Leid-Stadt, Leid-Land und Schluss. Ich beginne mit der >> A. Einleitung.