Narziss und Goldmund - 3.2. Erstes Künstlertum: Berufung und Ausbildung

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Nach der Krise fühlte Goldmund den Wunsch in sich stark werden, das Leben außerhalb der Klostermauern kennenzulernen. Er trinkt das Vagantenleben in heftigen Zügen, bis er auf Viktor stößt. Mit Viktor kommt der Schatten des Vagantentums zu ihm.6 Er findet wenig Geschmack an der Art und Weise, wie Viktor die Bauern ausnimmt. Er muss sein Leben gegen das von Viktor einsetzen, als Viktor ihn im Schlaf überfällt. Goldmund wird durch die Mordtat und in der Folge von ihr durch das schlechte Gewissen aus seiner Unschuld gerissen. Erst durch die Beichte finden seine Seelenkräfte zum Gleichgewicht zurück. Und in diesem Augenblick trifft ihn seine Berufung zum Künstler ähnlich wie ein Donnerschlag aus heiterem Himmel. 

Nun weiß ja jeder Leser und jede Leserin des Romans, dass das Erlebnis mit der Madonna aus Holz in der Kirche recht eigentlich den Anfang von Goldmunds Leben als Künstler darstellt. Der Erzähler lässt daran keinen Zweifel. Das Leben von Goldmund erhält durch dieses Erlebnis Ziel und Richtung. Er wird den Meister Niklaus in der Bischofsstadt aufsuchen und sich von ihm zum Bildschnitzer ausbilden lassen.

Goldmund erreicht mit dieser Ausbildung die Stufe des Könnens. Er gestaltet das innere Bild seines Freundes Narziss und legt damit sein Gesellenstück und den Beweis seines Könnens ab. Nun möchte der Meister einen wohlhabenden Bürger aus ihm machen und ihm seine hübsche Tochter zur Frau geben. Doch die innere Stimme von Goldmund möchte etwas anderes. Zu deutlich hat er den Widerspruch im Wesen des Meisters studiert, um in einen ähnlichen Fehler zu verfallen. Der Künstler, der zu lange sesshaft bleibt, verdirbt zum Kunsthandwerker, so der Erzähler und in seinem Gefolge Goldmund, der hier als Sprachrohr der Ansichten von Hermann Hesse auftritt. Soll seine Kunst authentisch bleiben, muss Goldmund wieder das Leben des Vaganten aufnehmen. Es fehlen ihm die inneren Bilder, die er gestalten könnte. Er ist noch nicht reif für den Beruf des Künstlers.7

 

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