1,23 „O erst dann, wenn der Flug“

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Ich lese diesen Text wie eine Bestätigung für das eben Geschriebene zum vorhergehenden Sonett. Rilke hat seine Aufenthalte in der Einsamkeit als Reinigung vollzogen. Vers 9 sagt es ausdrücklich. Mit „Knabenstolz“ könnte das Ego des Menschen bezeichnet sein. Das Ego lenkt alles auf sich und bläht sich gerne auf. Da heißt es, wach zu werden und loszulassen vom Bestreben nach kindlicher Bestätigung.

Nicht aber ist das kindliche Bestreben zu verurteilen und auszumerzen. Es ist allem beigemischt und wie wir oben gesehen haben, treibt es uns an und voran. Ohne das Ego gäbe es keine Kunstwerke, die dem Menschen nicht selten Übermenschliches abverlangt haben. Aber es wird zu unterscheiden sein zwischen Kunstwerken, die vom Künstler dazu verwendet werden, sein Ego aufzubauen und Kunstwerken, denen es um das Erfassen des Unsagbaren geht, das doch auch real und bleibend das menschlichen Sein umfasst.

 

© Johannes Heiner, November 2012

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